Cloud First oder digitales Wolkenkuckucksheim?

Das Thema Cloud scheint wirklich komplett krisenresistent zu sein. Egal ob bei der Weiterentwicklung von Produkten, neuen Geschäftsmodellen oder der Modernisierung der eigenen IT-Landschaft: Nichts geht ohne den Service aus der Cloud. Satte 84 Prozent nutzen diese aktuell in Deutschland. Während der Corona-Pandemie sind die Ausgaben für Cloud-Dienste noch einmal deutlich um 49 Prozent gestiegen. Treiber für diese konstante Entwicklung sind sicherlich der einfache Zugang sowie die Möglichkeit zur scheinbar endlosen Skalierung. Ein Ende des Wachstums scheint in Sachen Cloud nicht in Sicht. Das nach wie vor größte Public Cloud-Segment stellt Software-as-a-Service (SaaS) mit einem Ausgabenvolumen von 177 Milliarden Dollar im Jahr 2021 dar.

Parallel und folgerichtig ist der Anteil der Unternehmensdaten in der Cloud massiv gewachsen. Insbesondere durch die Pandemie hat dieser Trend nochmal Fahrt aufgenommen. Heute werden bereits mehr als die Hälfte aller Unternehmensdaten in der Cloud gespeichert. Die Cloud wird als schnelle, einfach skalierbare und vermeintlich kostensparende Lösung gesehen. Dies führt dazu, dass viele Unternehmen unter ihrer Cloud-Strategie nur „Cloud First“ verstehen. Das kann fatal sein. Denn: eine Cloud-Strategie für das eigene Unternehmen zu haben, bedeutet zu wissen, welche Ziele mit der Cloud erreicht werden sollen, nicht, dass diese Technologie nur genutzt werden soll.

In vielen Fällen stehen nur die Vorteile und Chancen der Cloud im Fokus. Die Risiken werden jedoch oftmals nicht richtig beleuchtet und eingeschätzt.

• Welche Alternativen gibt es?
• Wie ist der Lock-In-Effekt zu bewerten?
• Welche Strategien verfolgen andere Unternehmen aktuell?
• Drohen Preissteigerungen, ohne die Möglichkeit auszusteigen?

Aktuelle Hauptstrategien bei der Umsetzung von Cloud Computing in Unternehmen

• Cloud-First / Cloud-Only: Eine Cloud-First- / Cloud-Only-Strategie bedeutet, dass sobald neue Plattformen, Anwendungen und IT-Infrastrukturen aufgebaut werden, diese nur noch cloudbasiert entwickelt werden. Hierbei liegt der Fokus auf der Entwicklung und Umgestaltung speziell für die Cloud. In diesem Zusammenhang wird von dem reinen „Lift-and-Shift-Ansatz” Abstand genommen.
• Multi-Cloud: Die Multi-Cloud-Strategie bedeutet verschiedene Public Cloud Hyperscaler einzusetzen und keinen Fokus auf einen Anbieter zu legen. Innerhalb des Unternehmens werden verschieden Public-Cloud-Instanzen von verschiedenen Anbietern eingekauft. Das Vermeiden von Performance- und Sicherheitsproblemen stellt hierbei das Ziel dar, da das Ausfallrisiko auf mehrere Anbieter verteilt wird. Das Risiko bei diesem Ansatz ist, dass das Zusammenspiel verschiedener Hyperscaler nicht gewährleistet wird und es somit zu Effizienzverlusten kommen kann.
• Hybrid-Cloud: Hierbei wird eine Kombination aus Private- und Public-Cloud gewählt. Das Ziel liegt klar darin, für die individuellen Bedürfnisse eine passende und maßgeschneiderte Lösung zu finden.

Neben den vielen und oft im Fokus stehenden Vorteilen des Cloud Computing birgt dieser Trend aber auch Risiken. Diese finden oft im generellen Cloud Hype zu wenig Gehör. In vielen Fällen werden die Risiken unterschätzt oder nicht ausreichend analysiert. Daher haben wir im Folgenden die wesentlichen Risiken der Cloud-Nutzung und die zugehörigen Kernthemen zusammengestellt:

• Cybersecurity, Datensicherheit & Datenschutz werden als größtes Risiko wahrgenommen. Aber oft bietet die Cloud einen besseren Schutz als veraltete On-Premise-Lösungen, die Hyperscaler haben hierfür die benötigten Ressourcen und Skills in ihren Reihen, da dies essenziell für ihr Geschäftsmodell ist. Trotzdem sollten Sie diesen Punkt bei der Auswahl des Anbieters genauer beleuchten und ebenfalls bewerten, wie gut die eigenen Systeme geschützt sind. Darüber hinaus ist die Zulässigkeit der Nutzung von Cloud-Diensten im Rahmen der datenschutzrechtlichen Bewertung oftmals fraglich.

• Fehlende Transparenz, z. B. im Zuge der Datensicherung: Wie werden die Daten beim Anbieter gesichert und gibt es Back-Ups? Auch hier sollten Sie einen genauen Blick darauf werfen, welche Lösungen angeboten werden und wie die verschiedenen Anbieter die Datensicherung gewährleisten.

• Abhängigkeit & Lock-In-Effekt: Durch die Fokussierung auf einen Anbieter könnten Sie sich in ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis begeben, dessen Folgen Sie heute noch nicht abschätzen können. Dieses Risiko wird von dem Großteil der Unternehmen aktuell als nur gering eingestuft. Aber je mehr Unternehmen sich in diese Abhängigkeit begeben, desto weniger realistische Alternativen wird es in Zukunft geben. Allein durch die fehlenden Skills und Ressourcen für die Alternativen. Das Risiko der Abhängigkeit spielt für SaaS-Produkte eine deutlich größere Rolle, da ein Wechsel zurück auf On-Premise-Lösungen in diesem Fall deutlich schwieriger ist als beispielsweise bei einem Roll-Back für IaaS-Produkte.

• Preissteigerungen (durch Lock-In-Effekt): Ist die Abhängigkeit groß genug, haben Sie ebenfalls keine Chance mehr drastischen Preissteigerungen seitens des Anbieters zu entkommen. Zum einen wächst die Verhandlungsmacht mit steigender Abhängigkeit beim Anbieter und zum anderen spielt die aktuelle geopolitische Lage eine große Rolle. Ein Großteil aller Cloud-Anbieter hat bereits die Preise erhöht. Hierbei werden Modelle genutzt wie beispielsweise eine automatische Preissteigerung von einem festgelegten Prozentsatz pro Jahr. Viele Kunden sind bereits in dem zuvor beschriebenen Abhängigkeitsverhältnis und können diese Preissteigerungen somit nur hinnehmen. Also aufgepasst, die Cloud ist womöglich keine Alternative für nachhaltige Kostensenkungen.

• Steigende Komplexität der IT-Landschaft: Je mehr Cloud-Anbieter genutztwerden, desto komplexer ist das benötigte Sicherheitsmanagement hinsichtlich Fähigkeiten, Prozessen und Werkzeugen sowie Architektur. Auch diesen Aspekt sollten Sie im Rahmen Ihrer Cloud-Strategie mit beachten.

• Fehlendes Compliance / Governance Framework: Ein passendes Framework sollte vorhanden sein; die IT kann hier als Treiber für das gesamte Unternehmen fungieren. Viele Unternehmen gehen in die Cloud, ohne ein solches Framework zu haben und begeben sich somit in das Risiko, den Überblick über Daten und Strukturen zu verlieren, Sicherheitslücken nicht zu entdecken und mögliche Synergien nicht nutzen zu können.

• Fehlende interne Skills: Um eine passende Cloud-Strate-gie, ein Governance Framework sowie eine Architektur aufzubauen bedarf es interner Skills. Diese müssen für eine erfolgreiche Nutzung der Cloud meist erst entwickelt oder eingekauft werden. Cloud Computing ist aus dem unternehmerischen Alltag nicht mehr wegzudenken.
Jedoch sollte kein Unternehmen im Blindflug auf diesen Trend aufspringen. Es gilt vieles, neben den Chancen und Potenzialen auch etwaige individuelle Risiken, genau zu analysieren. Auch ist die Cloud kein Passepartout. Vielmehr muss sie wirklich zu den Unternehmensbedürfnissen, Herausforderungen und Zielen passen. Es gilt immer, den richtigen Mix aus Cloud und On-Premise, und somit die gesunde und strategisch richtige Balance zu finden.

Handlungsempfehlungen

Um dieses Assessment in Ihrem Unternehmen erfolgreich durchzuführen, empfehlen wir die drei klassischen Dimensionen Kosten, Qualität (in diesem Zusammenhang Performance, globale Verfügbarkeit und Vielzahl an Features) und Zeit genau zu beleuchten und für sich zu definieren, worauf Sie Ihren Fokus legen. Von diesem Hauptfokus lassen sich dann Standard-Strategien ableiten:

• Liegt ihr Fokus auf Kosteneinsparung durch den Einsatz von Cloud-Technologien, wird Ihnen eine Hybrid-Cloud-Strategie den größten Mehrwert beim Erreichen Ihrer Ziele bieten.

• Spielt für Sie die Dimension Qualität, im Sinne von Performance, sowie eine Vielzahl an Features die übergeordnete Rolle, wird Ihnen eine Kombination aus Multi-Cloud für Funktionalität und Performance und Hybrid-Cloud für die Abbildung individueller Bedürfnisse am besten gerecht werden.

• Falls Sie Geschwindigkeit, eine schnelle Umsetzung und Adaption der Cloud-Technologie in Ihrem Unternehmen priorisieren, ist eine Kombination aus einer strikten Cloud-Only-und Multi-Cloud-Strategie der erfolgversprechendste Weg. Durch die Cloud-Only-Strategie sammeln Sie sehr schnell Erfahrungen mit der neuen Technologie. Für alle drei Szenarien gilt, dass die anderen beiden Dimensionen nicht aus dem Auge verloren werden dürfen und eine individuelle Analyse und Bewertung den ersten Schritt zu Ihrer Cloud-Strategie darstellen sollte. Somit ist unserer Meinung nach eine individuelle Cloud-Strategie, basierend auf einer tiefgehenden Bedürfnis-Analyse ein Muss, um die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens zu sichern.