Into your Head!
Warum IT-Führungskräfte fundamental umdenken und sich dafür auf eine ganz besondere Reise begeben müssen.

Mit frischen Meriten aus der Corona-Pandemie geht der CIO in die Vorstandssitzung. Die Umstellung aufs Home Office hat reibungslos geklappt. Neue digitale Verkaufskanäle haben wegbrechende Umsätze kompensiert. Die IT-Themen waren aufgrund drängenderer Probleme zwar schon zweimal von der Sitzungsagenda gefallen; aber kein Problem, der CIO hat die Unternehmensstrategie gründlich gelesen, die für ihn relevanten Ableitungen bis ins letzte technische Detail vorbereitet. Und dann das. Nach den ersten 5 Minuten und 5 Folien richten sich die Blicke von CEO, CFO und F&E-Vorstand an die Decke oder das eigene Smartphone. Dass die Kollegen nicht wegnicken, ist alles.

Es herrscht Konsens darüber, dass die Digitalisierung DER entscheidende Hebel erfolgreicher Unternehmensführung ist. CIOs aber werden nach wie vor selten als gleiche unter gleichen angesehen. Warum? Zunächst einmal ist da kognitive Dissonanz. IT- und Digital-Know-how ist in deutschen Vorständen wie Aufsichtsräten dünn gesät. Dabei postulieren doch gewichtige Stimmen: „Die digitale Transformation kann und wird nur gelingen, wenn der CEO das Zepter in die Hand nimmt“.

Dann sind da die CIOs selbst, die alles aus der Technikbrille betrachten und entsprechend ihre Handlungsableitungen treffen. Kein Wunder eigentlich, in der Praxis wird die IT vielerorts nach wie vor allein von der Kostenseite betrachtet und bewertet. Sie soll möglichst an den eigenen Strukturen sparen und gilt als wichtiger Hebel an anderen Stellen massiv Kosten durch (digitale) Effizienzsteigerungen zu senken. Und hier liegt der fundamentale Unterschied traditioneller Industrien zu den googles dieser Welt. Ihre Vorstände verstehen die IT als eine bloße Toolmaschine, die Business und Administration durchaus wirkungsvoll enablen kann. Sie begreifen sie aber nicht als Kern des eigenen (zukünftigen) Geschäftsmodells. Dies ist aber die wichtigste Erkenntnis für IT wie Unternehmensführung – post-Corona: IT ist ein strategischer Erfolgsfaktor.

Damit sich diese Erkenntnis aber in die Realität der Unternehmensführung übersetzt, müssen CIOs ihr Denken und Verhalten komplett verändern. Sie müssen nicht nur denken wie EIN CEO, sondern wie IHR CEO. Dass sie das eigene Geschäft heute viel tiefer verstehen als noch vor wenigen Jahren ist klar. Sie müssen aber jetzt noch einen Schritt weiter gehen. Sie müssen eine Reise in den Kopf ihres CEOs unternehmen und verstehen, was für ihn ganz persönlich – und für das Unternehmen – die drängendsten Problemstellungen und Herausforderungen sind. Sie müssen ein Gespür dafür entwickeln, was den CEO „nachts nicht schlafen läßt“, was seine drängendsten „pain points“ sind – Beispiel Cyber-Angriffe, die das eigene Geschäft massiv gefährden – und wie diese abgestellt werden. Gleichzeitig müssen sie in Sachen Unternehmensentwicklung Chancen und Potenziale identifizieren, die, wenn sie über digitale Lösungen genutzt werden, den CEO vor Aufsichtsrat oder Aktionären gut aussehen lassen, weil er mit Innovationen und guten Zahlen glänzen kann.

Nur wenn CIOs die individuellen persönlichen und unternehmerischen Agenden ihrer Vorstandskollegen verstehen, für das eigenen Kompetenzfeld lösungsorientiert adaptieren und entsprechend zugeschnittene, digitale Lösungen (für das Geschäft) erarbeiten, werden sie wirklich zu strategischen Entscheidern auf Augenhöhe.

Dabei kommt neben dem konstruktiven, unternehmerischen Denken und Handeln auch eine kommunikative Herausforderung auf die digitalen Entscheider zu. Denn rhetorische Überzeugungsarbeit entspricht nicht immer ihrer eher introvertierten, sachorientierten Art. CIOs müssen aber in Zukunft nicht nur ihren CEO begeistern, sie müssen auch wissen, was die anderen Vorstandskollegen in ihren Ressorts bewegt und wie sie einen Beitrag zu deren Performance liefern können. Sie müssen, um bei unserem Beispiel zu bleiben, CFO, F&E-Vorstand und wie sie alle heißen dort abholen wo sie stehen, mit ihnen verständlich kommunizieren und echte Bedarfe abfragen und bedienen. Dann schläft auch niemand bei ihrer Präsentation ein.

Dass mittelfristig zudem ein neues, digitales Mindset von außen stärkeren Einzug in die Vorstandsetagen halten könnte, zeigt eine aktuelle Studie der Strategieberatung Advyce für das manager magazin. In den Top Ten Unternehmen nach Börsenperformance der vergangenen fünf Jahre haben 12,78 Prozent der Vorstände einen MBA; im HDAX gesamt 14,5 Prozent. Der Anteil der Wirtschaftswissenschaftler insgesamt liegt im HDAX bei 56,50 Prozent und in den Top Ten bei 59,58 Prozent. Der Anteil der Vorstände mit MINT-Ausbildungshintergrund liegt im HDAX bei 12,5 Prozent und bei den Top Ten bei 19 Prozent.

Der Weg zu einer strategischen IT-Planung:

1. Denken wie die Vorstandskollegen, pain points und Potenziale aus ihrer Perspektive heraus identifizieren und abstellen bzw. nutzbar machen
2. Die Unternehmensstrategie verstehen und business-relevante Handlungsfelder eröffnen
3. Abschied nehmen von abstrakter Detaildenke und -kommunikation
4. An den eigenen Kommunikations-Skills arbeiten und die Sprache des Gegenübers verstehen und sprechen
5. Stakeholder frühzeitig in eigene Pläne einbinden, Bereichsinteressen verstehen und bedienen